23
Sep
2013

Herbst, Schweinfurter Grün, Venedig

Die Apfelernte auf der Obstplantage ist im vollem Gange. Bio dürfen die sich nennen, haben aber mehr noch als die Landwirte Chemie versprüht. Lediglich die Wachsschicht auf dem Obst haben sie nicht angebracht, und das alleine berechtigt zu der Aussage, Bioobst anzubauen. Vielen Dank, ich verzichte.

***

Wie dunkel die frisch gepflügten Felder daliegen. Säuberliche Quadrate und Rechtecke duftender, schwerer und nasser, vollkommen nackter Erde. Dem Hunde gefällt es, darin zu graben. Zwischen den Zehen dicke Klumpen, unter dem Ballen gar ein kleiner Absatz, so kommt er grinsend zurück auf den Feldweg. Der Wind sträubt mir das Haar und beiden Hunden das Fell. Es riecht nach Herbst. Über uns helle und dunkle Wolkenberge. Wir lieben das. Wir lieben den Herbst mit seiner Weite, dem freien Blick, dem Geruch zwischen Wärme und Kälte, zwischen Sommer und Winter.

***

Anderswo so nebenbei erwähnt, unfreiwillig nach Venedig gekommen zu sein, als junges Mädchen. Auf Unverständnis gestossen. Aber fahren Sie mal als Zwanzigjährige am Abend los, einen guten und gleichaltrigen Freund von Stuttgart aus bis Anfang Brenner zu bringen und wachen nach einer verschlafenen Nacht kurz vor Venedig wieder auf. Im Wagen eines Sizilianers, doppelt so alt, schwer verliebt und ebenso schwer einschätzbar.

Als der gute und gleichaltrige Freund am Brenner ausgestiegen war, dort abgeholt und Richtung Heimat, Sizilien, weiter unterwegs, bin ich nach einem Arbeitstag und vielen weiteren wachen Stunden müde auf der dunklen Straße eingeschlafen. Und als ich wach wurde, war ich nicht wieder zurück und kurz vor Stuttgart, wo ich nach einer Katzenwäsche auf der Arbeit erscheinen hätte können, nein, ich war kurz vor Venedig und bekam nur eine lapidare Antwort im Sinne von "kleiner Ausflug, meld dich halt bei deinem Chef für heute ab".

Dem Chef gefiel nicht, dass ich mich in Italien "verirrt" hatte und mir gefiel nicht, ungewollt und mit einem irgendwie irren, älteren und in mich verliebten Sizilianer alleine in Venedig zu sein. Natürlich ließ ich mich breitschlagen, das Auto stehen zu lassen und, wenn schon vor Ort, wenigstens mal einen Blick in diese romantische Stadt zu werfen. Aber als er dann noch Zimmer anmietete, mit Doppelbett und alles in kitschigem Plüsch und Gold, wurde mir ganz bange zumute.

Er hat dann in diesem Zimmer nur geduscht, während ich mich strikt weigerte, mich auch nur für fünf Minuten auf dem Doppelbett auszuruhen oder auch nur die Schuhe auszuziehen. Die Tauben auf dem Markusplatz waren mir egal, die Gondeln, die Wasserstraßen, die Schönheit von alledem, ich wollte nur unbeschadet und möglichst schnell nach Hause und das alles ohne große Diskussionen, Dramen, Tränen oder gar Handgreiflichkeiten.

Ich kam dann auch nach Hause, unbeschadet und ohne Dramen. Mein Chef war stinksauer, ich kleinlaut - wie sollte man das denn auch erklären, ohne den Eindruck zu erwecken, man würde lügen? Der Sizilianer tat mir dann fast leid. Aber nur fast. Unser Verhältnis hat sich davon auch nie wieder erholt. Ich mied ihn und er akzeptierte dieses. Das zumindest muss ich ihm zugute halten.

Ungewollt war ich trotzdem in grünen Schnürstiefeln in Venedig.
qhenna

Beiseite

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... kommst du übers Meer, mit Bosheit nicht über den Bach. (rumänisches Sprichwort)

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